Die
Intensivierung der Waldnutzung wirkt sich auf die
floristische Zusammensetzung und Strukturvielfalt
einheimischer Wälder und somit auch auf die Fauna aus.
In der vorliegenden Untersuchung wurde an drei
unterschiedlich strukturierten Buchenwaldstandorten mit
gleichen Totholzanteilen die Käferfauna nebst Begleitfauna
erfasst. Besonderes Augenmerk lag dabei auf den
totholzbesiedelnden Käfern. Der Unterschied zwischen den
drei ausgewählten Waldflächen bestand in der Ausbildung der
bodennahen Habitatstrukturen. Die erste Fläche wies
keinerlei Unterwuchs auf. Die beiden Vergleichsflächen
besaßen Unterwuchs in unterschiedlicher Ausprägung. In der
zweiten Fläche bestand er aus Buchennaturverjüngung,
wohingegen sich die dritte Fläche durch einen floristisch
vielseitig zusammengesetzten Unterwuchs auszeichnete. Alle
Flächen repräsentieren heute übliche
Wirtschaftswaldflächen mit geringem Totholzanteil. Die
Fangperioden lagen in den Jahren 1993 bis 1995, teilweise
ergänzt durch Daten von 1991. Zur Erfassung der Arthropoden
wurden standardisierte faunistische Inventurmethoden
eingesetzt, wobei die bekannten Fallentypen z.T.
modifiziert wurden. Es wurden sowohl Barberfallen als
auch verschiedene Photo-Eklektortypen über
Totholzstrukturen verwendet. Die beprobten Totholzobjekte
umfassten Äste, Stammteile, Stubben, liegende und stehende
Stämme sowie zum Vergleich auch jeweils lebende Stämme.
Alle Methoden ermöglichten eine lebensraumschonende
Untersuchung in unterschiedlichen vertikalen Straten des
Waldes (Boden bis zu einer Stammhöhe von 4-4,5 m). Die
erfassten Arthropoden wurden sortiert und ausgezählt. Alle
Käferarten wurden vollständig bis zur Art determiniert. Die
Begleitfauna wurde ebenfalls erfasst und möglichst bis auf
Artniveau bestimmt. Das gilt insbesondere für die Arten,
die ebenfalls eine Verbindung zu Unterwuchs bzw. Totholz
aufweisen.
Es konnten im Untersuchungszeitraum insgesamt 444
Käferarten nachgewiesen werden, darunter zahlreiche
seltene, gefährdete und gesetzlich geschützte Arten. Die
größte Artendiversität wurde in der Waldfläche mit diversem
Unterwuchs erreicht (325 Arten), gefolgt von der Fläche mit
Buchen-Unterwuchs (290 Arten). Die geringste
Artendiversität bestand in der Waldfläche ohne Unterwuchs
(233 Arten). Unterwuchs verändert das Mikroklima besonders
im bodennahen Bereich. Die Klimaverhältnisse sind in den
beiden Flächen mit Unterwuchs ausgeglichener, die
Luftfeuchtigkeit wird länger gespeichert; außerdem liegt
die Verdunstung niedriger, was zahlreiche Käferarten
bevorzugen, wie u.a. die Ergebnisse der Kennarten für die
Untersuchungsflächen belegen. Die Temperaturwerte zwischen
den Untersuchungsflächen differieren sehr wenig. In der
unterwuchsfreien Fläche liegen sie geringfügig über denen
der beiden Waldflächen mit Unterwuchs. Das Mikroklima wirkt
sich u.a. auch auf den Streuabbau und die Zusammensetzung
der Zersetzungsfauna aus. Unterwuchs beeinflusst ebenfalls
die Klimabedingungen im Totholz und damit die
Totholzzersetzung sowie die Entwicklung vieler Xylobionten.
Untersuchungen zum Einfluss des Mikroklimas auf die
abiotischen Klimaverhältnisse im Totholz zeigen, dass
Totholz ein guter Feuchtepuffer ist. Es werden eher
saisonale, nicht kurzfristige Veränderungen spürbar.
Bezüglich der Temperatur ist totes Holz ein schnell
ansprechendes Medium, relativ unabhängig von Durchmesser
und Zersetzungsgrad. Die Mikroklimamessungen zeigen, dass
die Temperatur in geschlossenen Waldbeständen für Käfer
keine ausschlaggebende Bedeutung zu haben scheint.
Wichtiger für die Käferbesiedlung dürfte die
Luftfeuchtigkeit sein. Die Besiedlungsunterschiede bei
Stubben und liegendem Totholz deuten auf mikroklimatische
Auswirkungen des Unterwuchses auf Tothölzer hin, da sich
alle beprobten Strukturen in den bodennahen
Habitatstrukturen befinden. Käferarten, die für ihre
Entwicklung relativ konstante und eher feuchtere
Klimabedingungen benötigen, sind vor allem in Beständen mit
Unterwuchs anzutreffen. Arten, die eher auf eine trockenere
Holzzersetzung angewiesen sind, bevorzugen unterwuchsfreie
Waldflächen oder, bei Waldbeständen mit Unterwuchs,
unterwuchsfreie Bereiche oder Totholzobjekte, die keinen
Bodenkontakt haben. In den beiden Waldflächen mit
Unterwuchs treten neben reinen Waldarten und eurytopen
Arten ebenfalls zahlreiche Arten auf, die feuchtere
Biotopansprüche haben oder bevorzugt offenere Bereiche
besiedeln. Da die Untersuchungsflächen nicht randständig
sind und keine Kahlschlagsflächen in der Nachbarschaft
liegen, scheinen die bodennahen Habitatstrukturen das
Vorkommen dieser Arten zu begünstigen. Bei den beiden
Cychrus-Arten C. caraboides rostratus und C. attenuatus
zeigt sich, dass Unterwuchs über das Mikroklima das
Auftreten dieser Waldlaufkäfer bestimmt. Teilweise äußern
sich die besonderen Feuchteansprüche der Käferarten
indirekt über die Spezialisierung einiger Xylobionter auf
Totholz mit feuchterem Zersetzungsverlauf. Durch ein
feuchteres Mikroklima in Totholznähe hält sich die
Holzfeuchte länger; somit bieten diese Hölzer längere Zeit
optimale und ausgeglichenere Entwicklungsbedingungen als
schneller austrocknende.
Die Käferartenzahlen der drei Untersuchungsflächen
zeigen keine signifikanten Abhängigkeiten zwischen
Artenzahl und Durchmesserstärke der Hölzer, allerdings
scheint das Mikroklima um und in den Tothölzern bei Hölzern
größerer Durchmesser deutlichen Einfluss auf die Artenzahlen
auszuüben. Teilweise ist der Holzbewuchs (u.a. Pilze) und
auch der größere Anteil von Mulmbereichen dafür
verantwortlich. Die Untersuchung hat gezeigt, dass viele
Käferarten an Ästen und Stubben anzutreffen sind. Ihre
Habitatansprüche werden im Wirtschaftswald meist dadurch
gedeckt, dass Holzerntestubben und Kronenholz im Wald
verbleiben. Benachteiligt sind dagegen diejenigen Arten,
die auf liegende Tothölzer größeren Durchmessers oder
stehende Totholzstämme angewiesen sind, da diese
Totholzstrukturen meist aus dem bewirtschafteten
Waldbestand entfernt werden. Es zeigte sich, dass Äste und
Stubben wesentlich größere Übereinstimmungen in ihrem
Besiedlungsspektrum aufweisen als Stubben und liegende
Totholzstämme größeren Durchmessers. Dieses Ergebnis
unterstreicht die Bedeutung von Tothölzern größerer
Durchmesser für die Käferfauna. Die Ergebnisse der Alpha-
und Beta-Diversitätsindices-Berechnungen belegen eine hohe
Faunenübereinstimmung zwischen den beiden Waldflächen mit
Unterwuchs. Es zeigt sich auch, dass ein reicher, vielseitig
strukturierter Unterwuchs die Artendiversität noch erhöht.
Der Beitrag der beiden Waldflächen mit Unterwuchs zur
regionalen Biodiversität bei den erfassten Coleoptera liegt
daher höher als der der Fläche ohne Unterwuchs. Eine
geringere Verdunstung dieser Untersuchungsflächen auf
Grund der Vegetationsstruktur im bodennahen Bereich scheint
die Käferartenvielfalt im Wald zu steigern. Trotz
Bewirtschaftung sind die Dominanzverhältnisse in diesen
Flächen mit Unterwuchs ausgeglichener als in der
unterwuchsfreien Vergleichsfläche, die bereits länger nicht
bewirtschaftet wird, aber weniger strukturreich ist. Dies
ist als sehr bedeutend für die künftige Waldbewirtschaftung
zu bewerten. Trotz Nutzung können so eine hohe
Artendiversität und ausgeglichenere Dominanzverhältnisse
gewährleistet werden. Eine hohe Artendiversität im
Wirtschaftswald garantiert eine höhere Stabilität und
Elastizität zum Ausgleich von Störungen. Die Ergebnisse
innerhalb und oberhalb der bodennahen Habitatstrukturen
zeigen, dass sich Unterwuchs nachweislich auf die
Käferartenzusammensetzung im Wald auswirkt - insbesondere
innerhalb dieser bodennahen Strukturen. Oberhalb
profitieren v.a. die Käferarten vom vielseitigen
strukturreichen Unterwuchs, die für ihre Entwicklung ein
blütenreiches Umfeld benötigen.
Der Unterwuchs wirkt sich positiv auf die
Zusammensetzung der Käferzönose aus und je vielseitiger
seine Zusammensetzung ist, um so interessanter ist er auch
für xylobionte Käferarten. Dies gilt besonders für Arten,
die auf ein direktes Nebeneinander von Totholz und
Blütenhorizont für ihre Entwicklung angewiesen sind, da sie
oft nur über ein geringes Ausbreitungsvermögen verfügen.
Arten, die auch Blüten für ihre Entwicklung benötigen,
sowie einige Käferarten der Kraut- und Strauchschicht,
waren nur in der Fläche mit diversem Unterwuchs
anzutreffen. Dies verdeutlicht, welchen Einfluss neben dem
Vorhandensein auch die Qualität des Unterwuchses auf die
Käferbesiedlung ausübt. Im Hinblick auf die Frage der
forstlich bedenklichen Käferarten wird deutlich, dass sich
Unterwuchs positiv auf deren Häufigkeit auswirkt. Die
Artenzahlen der Xylophagen sind gleich. Der prozentuale
Anteil an der Gesamtartenzahl nimmt jedoch gegenüber der
unterwuchsfreien Fläche deutlich ab. Es stehen u.a. mehr
Prädatoren (Zoophage) den aus forstlicher Sicht
“schädlichen“ Arten gegenüber. Das extreme Ungleichgewicht
in der unterwuchsfreien Waldfläche zwischen räuberisch
lebenden Arten und ihren Beutetieren (u.a. Carabidae:
Curculionidae) zu Gunsten der phytophagen Beutetiere
begünstigt Käferkalamitäten, die zu erheblichen
Blattverlusten führen können, wobei nennenswerte Schäden
weniger in der Kronenschicht als in der Kraut- und
Strauchschicht auftreten. Sowohl durch das bessere
Räuber-Beute-Verhältnis als auch durch den vielseitig
zusammengesetzten Unterwuchs kann diese Gefahr abgewendet
werden. Gleiches gilt auch für das Verhältnis xylophager
und zoophager Käfer. Der Anteil xylophager Arten ist in
allen Untersuchungsflächen gleich, allerdings liegen die
Individuenzahlen in der unterwuchsfreien Fläche um ein
Dreifaches höher als in den Vergleichsflächen. Die Arten-
und Individuenzahlen der zoophagen Arten liegen in den
beiden Flächen mit Unterwuchs deutlich über denen der
unterwuchsfreien Fläche. Sowohl bei der Betrachtung aller
Arten, als auch bei einem Vergleich der
Untersuchungsflächen bezüglich der obligatorischen
xylobionten Arten ergibt sich in den beiden Flächen mit
Unterwuchs ein Verhältnis zwischen zoophagen und xylophagen
Arten, das deutlich zu Gunsten der Zoophagen verschoben
ist. Innerhalb der bodennahen Habitatstrukturen fallen die
Unterschiede zwischen Waldflächen mit und ohne Unterwuchs
wesentlich größer aus als oberhalb dieser Strukturen. (In
der Fläche ohne Unterwuchs liegen hohe Individuenzahlen
forstlicher Nutzholzzerstörer vor, in der Fläche mit
diversem Unterwuchs dominieren dagegen floricole
Holzkäfer.) Käferkalamitäten kann auf diese Weise
vorgebeugt werden. Hieraus lassen sich Konsequenzen für die
forstliche Praxis ableiten. Das Vorhandensein einer
Vielzahl gefährdeter oder seltener und besonderer
Käferarten in Wirtschaftswaldflächen unterstreicht die
Schutzwürdigkeit des gesamten Waldgebietes. Es zeigt sich,
dass auch in naturgemäß bewirtschafteten Waldflächen Natur-
und Artenschutz betrieben werden kann, wenn u.a.
entsprechende Totholzanteile im Wald verbleiben und
zusätzlich noch ein möglichst strukturreicher Unterwuchs
gewährleistet ist, ohne den Bestand durch forstliche
Nutzholzzerstörer zu gefährden. Da Insekten vielen anderen
Tieren als Nahrungsgrundlage dienen, wurde diese
Begleitfauna mit in die Auswertung einbezogen. Die
Ergebnisse bestätigen das Bild, welches sich bei der
Auswertung der coleopterologischen Ergebnisse gezeigt hat:
Unterwuchs - insbesondere ein vielseitig zusammengesetzter
und strukturierter - fördert die faunistische
Artenvielfalt.
Da im Wald mit Unterwuchs neben diesen bodennahen
Vegetationsstrukturen auch offenere Flächen anzutreffen
sind, bietet sich den Käfern sowohl eine feuchte als auch
eine trockenere Zersetzung des Holzes auf Grund der
unterschiedlichen mikroklimatischen Verhältnisse.
Zudem ermöglicht ein vielseitig strukturierter
Unterwuchs, in dem auch Blütenpflanzen anzutreffen sind,
insbesondere blütenbesuchenden xylobionten Käfern wie z.B.
der Rote-Liste-Art Corymbia (Leptura) scutellata (RL BRD 3)
günstigere Lebensbedingungen. Die oft flugunfähigen oder
nur mit geringer Ausbreitungstendenz ausgestatteten Arten
finden so auf kleinstem Raum ausreichende Lebensbedingungen
vor. Dies gilt für Waldflächen mit und ohne forstliche
Eingriffe, sofern ein ausreichendes Totholzangebot (Menge,
Dimension, Zersetzungsgrad) im Bestand verbleibt.
Im Anschluss an die Ergebnisdiskussion werden
weiterreichende Vorschläge für ein zukünftiges
Totholzmanagement im Wirtschaftswald gemacht. |
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