1. Einleitung
1.1. Einführung
“Wenn man durch die langweiligen und aufgeräumten Wälder (...) wandert,
die das Ergebnis moderner forstwissenschaftlicher Methoden sind, mag man
kaum glauben, dass absterbendes und bereits totes Holz einen der zwei
oder drei bedeutensten Kleinlebensräume der Tierarten eines natürlichen
Waldes darstellt und dass mit dem Abräumen geworfener Bestände oder sich
zersetzender Stämme das Gesamtsystem um vielleicht mehr als ein Fünftel
seiner gesamten Fauna verarmt“ (Elton 1966).
Die Feststellungen Eltons von 1966 treffen nach wie vor auch heute für
europäische Wirtschaftswälder zu (vgl. Innes & Kräuchi 1995). Die
Zeichen des natürlichen Absterbens sind vielerorts einer “sauberen“
Waldwirtschaft gewichen. Oftmals beherrscht die Angst vor
Insektenkalamitäten die waldbaulichen Tätigkeiten (Maser et al. 1979,
Paulus 1980). Das Totholz und die damit verbundene Strukturvielfalt
sowie das spezielle Mikroklima sind für viele Käfer und andere Tierarten
eine wichtige Existenzgrundlage. Viele Organismen haben sich im Verlauf
der Evolution in ihrer Lebensweise gerade auf diese Ressource
spezialisiert (Nilsson & Ericson 1997). Die oft unscheinbaren - meist
unsichtbaren - Käfer erfüllen aber eine wichtige Aufgabe im
Naturkreislauf. Sie beschleunigen die Totholzzersetzung, beteiligen sich
an der Wiederverwertung der organischen Substanzen sowie an der
Bodenbildung und garantieren die Aufrechterhaltung eines komplexen und
ausgewogenen Systems (Insecta & Zaric 1995a). Laut Elton (1966) zählt
mindestens 20% der gesamten Waldfauna zu den „Saproxylics“ oder ist in
irgendeiner Form von ihnen abhängig. Der Wald als das am höchsten
entwickelte und langlebigste Ökosystem des Festlandes (Deutscher Rat für
Landespflege 1982, Feldmann et al. 1996, Niemann 1968) wird von einigen
Autoren auf Grund seiner Sauerstoffproduktion, Wasserspeicherung, seines
vielfältigen Nahrungsangebotes und der großen Vielfalt an Tier- und
Pflanzenarten auch als “ökologisches Kraftwerk“ bezeichnet (Beyer 1993)
und stellt somit einen außerordentlich komplexen Lebensraum dar (u.a.
Brang et al. 1997, Feldmann et al. 1996, Winter 1982). Dies ist zum
Einen durch die Besonderheit der vertikalen Schichtung innerhalb des
Bestandes (Baum-, Strauch-, Moosschicht, Wurzeln etc.) und dem damit
verbundenen Mikroklima, zum Anderen aber auch durch die Strukturierung
jedes einzelnen Baumes (tote Äste, Baumhöhlen, Saftflüsse etc.) bedingt.
Dazu kommt als weitere Besonderheit in den gemäßigten Breiten noch die
ausgeprägte Saisonalität, der sich die Tiere, insbesondere die Insekten,
mit ihren Entwicklungszyklen angepasst haben (vgl. Winter 1982).
Entscheidend für die besiedelnden Arten und ihre Häufigkeiten ist der
Waldaufbau: Je größer die Strukturviefalt, also je diverser die
Baumarten- und Altersklassenzusammensetzung in einem Waldbestand ist,
desto vielfältiger gestaltet sich in der Regel die Faunenzusammensetzung
(vgl. Ammer & Utschik 1982, Broggi & Willi 1993, Heydemann 1982, Kasper
1995). Eine vielfältige Kraut- und Strauchschicht sowie gut
ausgebildete, gestufte Waldränder fördern viele u.a. phytophage
Insektenarten und deren Parasiten (Flückiger 1999). Zum Stratenreichtum
eines Waldes trägt daneben aber auch ganz entscheidend sein Alter bei.
Je älter ein Wald wird, um so größer ist die Altersspanne der in ihm
stockenden Bäume und damit verbunden auch sein Reichtum an besiedelbaren
ökologischen Nischen (vgl. Geiser 1989a,b, 1994, Markley 1995. Rabl
1993). Diese exponentielle Vermehrung von Nischen führt zu größerem
Artenreichtum der Fauna und Flora (u.a. Bode & Hohenhorst 1994). Es
ergeben sich mannigfaltige Wechselbeziehungen der Glieder im Ökosystem
Wald (Dierschke 1989, Kräuchi et al. 1997, Leibundgut 1993), die
stabilisierend und regulierend auf die Individuendichten der beteiligten
Arten einwirken (Möller 1991a). Resultierend aus all dem erhöht sich die
Elastizität (Möller 1994 u.a.m.) innerhalb des Ökosystems, bei dem es
sich um ein dynamisches System handelt (Abegg 1993, Biermayer 1999,
Thimonier & Brang 1997). Derartig strukturierte Waldbestände gelten in
der Regel als relativ stabil, ausgeglichen und weniger anfällig für
Insektenkalamitäten, als verarmte, einartige oder gestörte Lebensräume
mit geringem oder fehlendem Unterwuchs sowie fehlenden Kleinstrukturen
(vgl. Reininger 1989, Winter 1982, Zukrigel 1978). Die heute noch
verbliebenen Reste von Urwäldern in einigen osteuropäischen Ländern
(Kasper 1992, Korpel 1982,1992, Mayer 1976b) veranschaulichen in
eindrucksvoller Weise diesen Zusammenhang zwischen Artenvielfalt und
Stabilität. Im Verlauf der Evolution und Waldgeschichte hat sich eine
große Vielfalt an Organismen entwickelt, die untereinander und mit den
vielfältigen Waldlebensräumen in einem komplizierten Beziehungsgefüge
stehen (Heydemann & Müller-Karch 1980, Irmler 1995, Kasper 1995).
Fast die Hälfte aller weltweiten Wälder wächst in den gemäßigten und
nördlichen Breiten, v.a. Nordamerika und Russland (Beyer 1993). In
Europa, wo Wald als die von Natur aus vorherrschende Pflanzenformation
gilt, sind heute nur noch ca. 30% der Landfläche von Wald bedeckt
(Arbeitskreis Waldbau & Naturschutz 1994, Heydemann 1982, Niemann 1968,
Waliczky et al. 1997), wovon sich etwa wiederum die Hälfte allein auf
Russland konzentriert (Stanners & Bourdeau 1995). Die geschichtlichen
Einflüsse führten in fast allen europäischen Wäldern von mehr oder
weniger sichtbaren und andauernden Veränderungen ihrer ursprünglichen
Gestalt bis hin zu gänzlicher Waldvernichtung (Irmler 1995, Otto 1990,
Pott 1990, Richter 1989b, Speer 1982, Zieren 1981). Wald wird in
Mitteleuropa auf fast 100% der Fläche in irgendeiner Form genutzt
(Biermayer 1999, Feldmann et al. 1996). Reste echter Urwälder sind in
allen Teilen Europas eine kostbare Seltenheit geworden (Otto 1990).
Ursprüngliche, urwaldartige Bestände gibt es in Mitteleuropa nur noch an
wenigen Stellen (Korpel 1992, Möller 1994, Richter 1989b). Der Anteil an
natürlichen Wäldern, die nie von Menschen genutzt wurden, liegt unter 1%
der gesamten derzeit existierenden Waldfläche (Beyer 1993, Ibero 1994,
Waliczky et al. 1997).
Der Naturwald durchläuft verschiedene Entwicklungsphasen (Verjüngungs-,
Initial-, Jugend-, Optimal-, Terminal- und Zerfallsphase), die
kleinräumig, mosaikartig nebeneinander anzutreffen sind (Broggi 1994,
Duelli 1995, Nilsson & Ericson 1997). Ein einzelner Mosaikstein stellt
dabei immer eine bestimmte Phase der Entwicklungsdynamik dar. In ihm
kann kein Gleichgewicht herrschen, das ist erst in der Gesamtheit der
Mosaiksteine möglich (Broggi 1994). Während der letzten beiden
Sukzessionsstufen kommt es zur größten Artenakkumulation, nicht zuletzt
auf Grund des Vorhandenseins größerer Mengen von Alt- und Totholz.
Absterbende Bäume und Totholz unterschiedlicher Qualität spielen in
diesem komplexen Beziehungsgefüge eine wesentliche Rolle. In Urwäldern
und naturnahen Wäldern kann der Anteil toter Holzsubstanzen an der
gesamten Holzmasse 20 % oder mehr betragen (Broggi 1994, bis zu 40%
Möller 1994), wobei großdimensionierte Stämme in größerer Zahl vorhanden
sind (Barth 1987, Utschik 1991). Natürlicherweise durchläuft ein Baum
einen Alterungsprozess, an den sich nach Absterben einzelner Teile oder
des ganzen Individuums ein langjähriges Abbau- und Zersetzungsstadium
anschließt, mit dem sich der Nährstoffkreislauf schließt. Unter
natürlichen Bedingungen dauert das Absterben der Bäume einige
Jahrzehnte, weitere Jahrzehnte vergehen, bis sie sich gänzlich zu Humus
und mineralischen Bestandteilen zersetzt haben und der Stoffkreislauf
der Natur von Neuem beginnt (Lorenz 1997, Möller 1994, Speight 1989a).
Totholz stellte ursprünglich im mitteleuropäischen Raum unter
natürlichen Verhältnissen demnach das allgegenwärtig verfügbare
organische Substrat dar, auf das sich zahlreiche Organismen in ihrer
Lebensweise spezialisiert haben (SCHMIDL 1993). Vor allem während der
Zeitspanne vom Absterben bis zum völligen Zersetzen sind die Bäume
Lebensraum, Nahrungsquelle und Entwicklungsort für zahlreiche Tier-,
Pflanzen- und Pilzarten. Jeder abgestorbene Baum besitzt eine Vielzahl
kleinster Habitatstrukturen mit einem speziellen Mikroklima. Am Boden
herrschen ausgeglichene, beschattete, feucht-kühle Verhältnisse vor,
während der Kronenraum windexponiert und starken Temperatur- und
Feuchteschwankungen ausgesetzt ist. Der mittlere Stammbereich ist
relativ trocken, teilweise besonnt und somit wärmebegünstigt. Die
Substratgemeinschaften reichen von harten, ausgetrockneten rindenlosen
Stammpartien bis zu weichem, feuchtem, verpilztem Mulm. An diese
abwechslungsreichen Klein- und Kleinststrukturen haben sich diverse
hochspezialisierte Organismen wie Flechten, Moose, Pilze, Insekten,
Spinnen, Regenwürmer sowie Kleinsäuger etc. angepasst (Lorenz 1997).
Das heutige Waldbild ist das Ergebnis einer langen
Entwicklungsgeschichte im Zusammenspiel von Klima, Boden und Mensch.
Spätestens seit dem Mittelalter hat der Mensch den Wald aber nicht mehr
seiner ureigenen Dynamik überlassen, sondern ihn sowohl in seiner
physiognomischen als auch in seiner floristischen Struktur geprägt
(Dierschke 1982, Dobbertin et al. 1997). Einen natürlichen, von Menschen
unbeeinflussten Wald gibt es kaum noch. Die nacheiszeitliche Entwicklung
des Waldökosystems ist also unabdingbar mit dem Eingriff des Menschen
verknüpft (Pott 1992a,b). Mit ursprünglicher Natur haben die meisten
heutigen Wälder nicht mehr viel zu tun - der ursprüngliche Charakter ist
verlorengegangen (Daniels 1991) - da der natürliche Kreislauf an vielen
Stellen durch Holzentnahme unterbrochen ist (Beyer 1993, Möller 1994,
Winter 1988). Einer der wesentlichsten Unterschiede zwischen Urwald und
Wirtschaftswald betrifft ihre Entwicklungsdynamik (Weiss 1989), was u.a.
zur Beeinträchtigung aller Organismen geführt hat, die auf totes oder
faulendes Holz - das in Urwäldern immer ausreichend vorhanden war - als
Siedlungshabitat oder Nahrungssubstrat angewiesen sind (Brez Guby &
Dobbertin 1996, Harmon et al. 1986, Korpel 1992, 1995, Lee et al. 1997,
McCarthy & Bailey 1994, Peterken 1996, Prietzel 1994b, Sturtevant et al.
1997, Tyrell & Crow 1994, Volk et al. 1993, Winter 1999). In den
heutigen, forstwirtschaftlich geprägten Wirtschaftswäldern gibt es kaum
noch einen Baum, der sein natürliches Alter erreicht und eines
natürlichen Todes sterben darf. Nur 9% des deutschen Waldes sind laut
Nabu (1997) und Bode (1996) älter als 120 Jahre, d.h. gerade “erwachsen“
geworden. Ein Großteil der natürlichen Lebensphasen und der an sie
gekoppelten Lebensvorgänge läuft im Wirtschaftswald also gar nicht mehr
ab (Heiß 1991, Weiss 1989), da die meisten Bäume bereits im ersten
Viertel ihrer natürlichen Lebenserwartung, im Alter von 80 - 100 Jahren,
gefällt werden. Stark dimensionierte Einzelbäume ("Baumveteranen") sind
somit weitestgehend aus unserem Waldbild verschwunden. Der größte Teil
der Waldfläche wird von Beständen mit wesentlich kürzeren Umtriebszeiten
gebildet, bei denen höchstens das bei der Durchforstung anfallende dünne
Astholz liegengelassen wird oder Holzerntestubben im Wald verbleiben.
Der heutige Totholzanteil im Wirtschaftswald liegt unter 5% (Ammer 1991,
Broggi 1994). Vielfach sind die einstmals vorherrschenden Laubwälder
auch aus wirtschaflichen Gründen durch schneller wachsende, nicht
standortgerechte, altersweise geordnete Nadelholzmonokulturen ersetzt
worden (Paulus 1980). Aus den zuvor genannten Gründen stehen der
einheimischen, meist hochspezialisierten Laubholz-Fauna immer weniger
geeignete Habitate zur Verfügung. Anthropogene Faktoren in Form von
ungeregelter Waldnutzung bzw. planmäßiger Wald- und Forstwirtschaft
bewirken somit auch in erster Linie die aktuelle Zusammensetzung der
Pflanzengemeinschaften und ihrer Ersatzvegetation, erst an zweiter
Stelle macht sich heute der Einfluss natürlicher Umweltfaktoren bemerkbar
(Pott 1992a,b). Das System wird vielfach auf frühe Sukzessionsstadien,
die hoch produktiv sind, beschränkt, besonders Alters- und
Zerfallsstadien werden unterdrückt oder stark verkürzt. Die Folgen
dieser hohen Produktivität müssen jedoch mit einer Minderung der
Stabilität bezahlt werden. Forstökosysteme sind vom Menschen zwecks
Holzgewinnung gestaltete und regulierte Ökosysteme, in denen Pflanzen-
und Tierbestand sowie Teile des Stoffhaushaltes aus Nutzungserwägungen
gesteuert werden. Wie groß die verbleibende Artenvielfalt letztlich ist,
hängt entscheidend von der Art, Dauer und Intensität der verschiedenen
anthropogenen Einflüsse ab, die v.a. im Rahmen der Forstwirtschaft auf
die Waldökosysteme einwirken (vgl. Bund et al. 1996, Arbeitskreis
Forstliche Landespflege 1996, Heydemann 1982, Scherzinger 1996).
Scherzinger (1997b) gibt zu bedenken, dass sich die Frage der
Artensicherung heute im wesentlichen in großräumigen Wirtschaftswäldern
entscheidet - nicht in den flächenmäßig viel kleineren Schutzgebieten.
Aus diesem Grunde ist die vorliegende Untersuchung in diesem Bereich
angesiedelt. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, wird in letzter Zeit
stärker der Versuch unternommen, die natürliche Selbstregulierung des
Ökosystems Wald bei der Waldbewirtschaftung zu berücksichtigen - u.a.
Stichwort Waldzertifizierung und Forest Stewardship Council (Deutscher
Rat Landespflege 1982, FSC 1999, Wilhelm 1999).
Naturschutz im Wald ist in den letzten Jahren in Europa zu einem immer
wichtigeren Thema geworden. Dennoch sind viele Wälder Mitteleuropas von
einem naturnahen Zustand noch weit entfernt. Nachhaltigkeit
(sustainability) muss nach dem Umweltgipfel von Rio de Janeiro und im
Zeichen sich wandelnder Naturschutzvorstellungen anders definiert werden
als zu Zeiten, in denen dieser Begriff geprägt wurde (Wissel & Plachter
1996). Umfangreiche Untersuchungen zur Waldschadensforschung haben
außerdem deutlich gemacht, dass Wälder heute zusätzlich einer Vielzahl
neuartiger Belastungen ausgesetzt sind. Sie zeigen, wie komplex, aber
auch wie anfällig das “Ökosystem Wald“ ist (Wissel & Plachter 1996). In
der 1992 verabschiedeten Biodiversitätskonvention wurden einige
entscheidende Grundlagen für den Schutz der Wälder geschaffen. Die
UN-Umweltkonferenz in Rio de Janeiro (UNCED) hat zudem das “Statement of
Forest Principles“ angenommen, eine globale Übereinkunft zur
nachhaltigen Nutzung der Wälder. In Folge des Rio-Statements hat die
zweite Europäische Ministerkonferenz zum Schutz der Wälder in Europa
1993 in Helsinki die sog. Helsinki-Richtlinien beschlossen (vgl.
Waliczky et al. 1997, Zahner 1999). Neben dem seit langem geltenden
Prinzip der Nachhaltigkeit der Holzerzeugung wird erstmalig auch die
Erhaltung der biologischen Vielfalt als ein vorrangiges Ziel der
Forstwirtschaft genannt (Schmidt, W. 1999). Eine große Chance für den
umfassenden Schutz der Wälder eröffnet sich durch die Verabschiedung der
Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft (Richtlinie
92/43/EEC), in der Artenschutz im Einklang mit Habitatschutz umgesetzt
werden soll. 1998 ist das Untersuchungsgebiet der EU als FFH-Gebiet
gemeldet worden (Ssymank 1994). Europa hat als primäres Waldland eine
besondere Verantwortung gegenüber diesem Lebensraum und seiner
ursprünglichen Artenausstattung (Prietzel 1994b, Scherzinger 1997b,
Zahner 1999), vor allem, wenn man bedenkt, dass die einst weit
verbreiteten Laubbäume auf ein Drittel ihrer natürlichen Verbreitung
dezimiert worden sind (Beyer 1993). Rotbuchenwälder in unterschiedlicher
Ausprägung gehören neben dem Wattenmeer zu unseren weltweit
einzigartigen Ökosystemen, da sie nur in Europa anzutreffen sind. Ihre
biotischen und abiotischen Funktionen sind durch kein anderes Ökosystem
ersetzbar. Sie stellen in Mitteleuropa auf allen Standorten, die nicht
als extrem gelten, den von Natur aus dominierenden Ökosystemtyp dar
(u.a. Schumacher 1992). Buchenwälder in höheren Lagen sind die
wichtigsten Waldgesellschaften Nordrhein-Westfalens (Schöller 1992a).
Ein Viertel der Landesfläche ist mit Wald bedeckt (Lölf 1989a,b, Richter
1989b), wobei die Verteilung deutlich regionale Unterschiede aufweist.
Die Kerngebiete der Bewaldung liegen in den Mittelgebirgen, wozu auch
das Untersuchungsgebiet zählt. Aus ökologischer Sicht nehmen die
Buchenwälder Nordrhein-Westfalens heute eine Sonderstellung ein, da sich
hier das natürliche Potential in seinem klimatischen Optimum auf großer
Fläche erhalten konnte. Daher liegt dort und in den benachbarten
Bundesländern ein Verbreitungsschwerpunkt. Direkt oder indirekt sind
u.a. fast 2.500 Kleintierarten von diesem Ökosystemtyp abhängig. Dies
alles findet Eingang in das Rahmenkonzept Natura 2000 für mittelfristige
Naturschutzarbeit in Nordrhein-Westfalen, insbesondere in das
Schutzprogramm für Wälder (u.a. Bentrup 1992, Heukamp 1992, Murl 1990,
Prinz zu Salm-Horstmar 1992, Schöller 1992b, Schulte 1992, Ssymank et
al. 1998). Das spezielle Buchenwaldkonzept ist ein Beitrag zur Umsetzung
der Waldwirtschaft 2000, ein Gesamtkonzept für die ökologische
Waldbewirtschaftung des Staatswaldes. Das wichtigste Leitziel ist die
langfristige Sicherung und Entwicklung sommergrüner Laubwälder unter
besonderer Berücksichtigung der großflächigen Buchenwälder mit ihrer
charakteristischen Flora und Fauna. Diese Wälder sollen landesweit zu
einem Netz (Natur 2000) verknüpft werden. Ein hoher Anteil über
120jähriger Laubwaldbestände ist erwünscht. Altersklassenbestände sollen
in naturnahe Laubwälder mit ungleichaltrigem, mehrschichtigem Aufbau
überführt werden, die sich durch die Strukturvielfalt auf kleiner Fläche
mit möglichst allen Altersphasen sowie durch standortliche Variationen
auszeichnen sollen (vgl. u.a. Bentrup 1992, Murl 1990, Schöller 1992a,
Ssymank 1994, Ssymank et al. 1998).
Arten- und Biotopschutz spielt in der Bundesrepublik Deutschland
inzwischen wie oben gezeigt eine große Rolle bei der Bewertung von
Waldfunktionen, weltweit zeichnet sich gerade bei diesem Aspekt eine
überaus bedrohliche Situation ab. Obwohl nur 25% der
Festlandserdoberfläche mit geschlossenen Wäldern bedeckt sind, leben
dort mehr Tier- und Pflanzenarten als in jedem anderen Ökosystem
(Dohrenbusch 1992). Hier haben sich über sehr lange Zeiträume komplexe
Wirkungsgefüge aus Lebensgemeinschaften von Tieren und Pflanzen
entwickelt, die in einem dynamischen Gleichgewicht zueinander stehen
(Kasper 1995, Möller 1991a). Bei dem Begriff Artenvielfalt, der heute
vielfach als zentrales Argument zur Erhaltung von Waldökosystemen
angeführt wird (Sprengel 1999, Wilson 1988, 1995), denken viele in
erster Linie an tropische Regenwälder. Nach Rauh et al. (1994) und
anderen Wissenschaftlern wird dabei zu wenig daran gedacht, dass auch
mitteleuropäische Wälder eine faszinierende Organismenvielfalt besitzen,
über die man noch zu wenig weiß (Dudley 1992). Die Biodiversität als
Artenvielfalt und Mannigfaltigkeit der Lebensäußerungen in der Natur ist
in letzter Zeit stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt,
vor allem weil der Mensch diese Biodiversität durch Veränderung seiner
Umwelt gefährdet. Der Begriff “biologische Artenvielfalt“ oder
“Biodiversität“ ist auf Grund seiner Komplexität schwer fassbar und wird
auch oft missverständlich gebraucht, meist als Synonym für Artenvielfalt.
Dabei ist biologische Diversität viel mehr als nur Artenvielfalt. Sie
impliziert neben der Vielfalt der Lebensräume auch die Vielfalt der
Strukturen mit unterschiedlichen ökologischen Nischen, die Vielfalt der
Arten sowie die genetische Vielfalt. Zunehmend rückt die Bedeutung des
regionalen Artenpools für die Ausprägung der lokalen Diversität mehr ins
Bewusstsein (Cornell 1993, Flückiger 1999, Ricklefs 1987, Ricklefs &
Schluter 1993, Schaefer 1995). Die Bedeutung der Käfer als ökologischer
Faktor im Naturhaushalt ist um so höher zu bewerten, da Käferarten in
nahezu allen nur denkbaren Lebensgemeinschaften in meist hoher Arten-
und Individuenzahl vorkommen. Biotopschutzmaßnahmen im Hinblick auf die
Käferfauna erfüllen damit auch eine relativ umfassende Schutzfunktion
für einen Großteil der übrigen, bisher weniger erfassten Gruppen von
Wirbellosen sowie niederen Pflanzen (Geiser 1980).
1.2. Aktuelle Gefährdungssituation totholzbesiedelnder Käfer
Ebenso wie die Zahl der Urwälder zurückgegangen ist und bewirtschaftetem
Wald Platz machen musste, gilt dies auch für alle an dieses Ökosystem
gebundenen Käferarten (vgl. Ehnström & WaldÉn 1986, Heiß 1991,
Heliövaara & Väisänen 1984, Kaila et al. 1997, Rassi et al. 1992,
Väisänen et al. 1993). Besonders in Mitteleuropa tragen wir eine
besondere Verantwortung für die Erhaltung der
mitteleuropäisch-autochtonen Arten, deren Verbreitung auf Europa
beschränkt ist, wie z.B. für Käferarten, die an Rotbuche gebunden sind
(vgl. Detsch et al. 1994, Reiche 1992). Ihr Verschwinden in Europa würde
gleichzeitig ihr globales Aussterben bedeuten (vgl. Geiser 1989, Weiss
1989). Dies erkannte der Europarat und gab ein Gutachten zum Schutz von
Totholzarten und ihrer Biotope (Conseil de l´europe 1988) in Auftrag
(Stubbs 1991). Wenn man bedenkt, dass ca. ein Viertel bis die Hälfte
aller hierzulande vorkommenden Käferarten direkt oder indirekt an den
Lebensraum Holz angepasst und somit auf ihn angewiesen ist (Broggi 1994,
Geiser 1986, Harding & Rose 1986, Irmler et al. 1996, Scherzinger 1996,
Schilliger 1995, Speight 1989a) und zugleich die Waldentwicklung
verfolgt, ist es nicht verwunderlich, dass gerade die Gruppe der
totholzbesiedelnden (xylobionten) Arten einen besonders großen Anteil an
gefährdeten und vom Aussterben bedrohten Arten aufweist (Binot et al.
1998). Laut Dajoz (1980) stellen die Totholzkäfer und deren Larven mehr
als 95% der “saproxylic“ Invertebraten. Hinzu kommt noch, dass
totholzbesiedelnde Käferarten oft nicht in der Lage sind, größere
Distanzen zu überwinden, um geeignete Brutsubstrate aufzusuchen etc.
(DeVries et al. 1996, Gundlach & Hofmann 1992, Jedicke 1995b,
Klausnitzer 1994a, Nilsson & Brankowski 1997, Nilsson & Ericson 1997).
Wenngleich die kleinräumige Ausbreitung oftmals sehr schnell erfolgt, so
ist doch, von besonders vagilen Arten abgesehen, die Migrationsfähigkeit
über größere Entfernungen (etwa 10 km) eher noch geringer als die der
meisten Pflanzen einzustufen (Geiser 1980). Großflächige Kahlschläge,
Bestockungswechsel oder das restlose Entfernen der Bruthölzer können bei
solchen Arten, die innerhalb ihres Aktionsradius keine geeigneten
Habitatstrukturen mehr vorfinden, dann zwangsläufig zum Aussterben der
gesamten lokalen Population führen (Erlöschen der Faunentradition im
Gebiet; Brechtel 1992, Geiser 1980, Möller 1994, Schmidl 1993). Die
Wahrscheinlichkeit einer Wiederbesiedelung durch sogenannte
Urwaldreliktarten nimmt mit dem Grad der Isolation eines Waldgebietes
rapide ab (Geiser 1989b, Schmidl 1993), da sie infolge ihrer geringen
Mobilität und ausgeprägten Habitatbindung auf eine ununterbrochene
Faunentradition angewiesen sind. Bei den xylobionten Käfern fallen
nahezu 60% der Arten (ca. 800 Arten) darunter (Angaben für alle
Baumarten zusammen) (Albrecht 1991a,b,c, Blab 1984, Geiser 1986, Hilt &
Ammer 1994, Köhler 1991a,b, 1996, Lölf 1989b, Weiss 1991b). Dies sind
Zahlen, die von keiner anderen Formengruppe (aquatische, epigäische,
phytische Sonderformen) unter den Käfern erreicht werden (Schmidl 1993).
Auch im übrigen Europa nimmt die Zahl der spezialisierten Arten
drastisch ab. Nach Speight (1989a,b) werden mehr als 40 % als gefährdet
bis vom Aussterben bedroht eingestuft. Klausnitzer (1994a) bezeichnet
die Alt- und Totholzfauna als die in Mitteleuropa am stärksten
gefährdete Lebensgemeinschaft. Die Artenakkumulation erreicht im Laufe
der Sukzessionsabfolge ihren Höhepunkt. Ein einziger Baum kann mehrere
hundert Arten beherbergen und zählt somit zu den artenreichsten
Strukturen in der Natur (Schilliger 1995). Neben Pilzen werden Käfer
u.a. auf Grund ihrer hohen Gefährdungssituation oft als “Leitarten“ der
Totholzdiskussion bezeichnet (vgl. Albrecht 1991a, Kolbe 1989a). Auf
Grund zahlreicher spezieller Anpassungen an alle möglichen Klein- und
Kleinstlebensräume im Wald in sämtlichen Straten und ihren hohen
Artenzahlen eignen sich Käfer besonders gut zur Beschreibung von
Waldökosystemen (u.a. Dorow et al. 1992, Köhler 1993, 1997, Nilsson et
al. 1995, Nilsson & Ericson 1997) und nehmen neben Pilzen eine
ökologische Schlüsselstellung ein (Schmidl 1993). Neben
Pflanzenfressern, Blütenbesuchern, Parasiten, Abfallverwertern und
räuberischen Käferarten leben viele Arten in oder an Totholz und spielen
im Zusammenhang mit anderen Organismen eine wesentliche Rolle beim
Holzabbau und somit bei der Bodenbildung (vgl. u.a. Hartmann & Sprecher
1990). Sie sind wichtige Glieder im Stoffkreislauf - wenn man sie lässt.
Ihre Einbeziehung in waldökologische Studien scheint daher dringend
erforderlich (vgl. Dorow et al. 1992). Für die Erhaltung eines hohen
Arteninventars und intakter ökologischer Ausgleichsräume ist der Schutz
umfassender und von sich aus funktionsfähiger, autochtoner
Lebensgemeinschaften als notwendig anzusehen. Somit besitzen die Käfer
eine gleichberechtigte Bedeutung neben der bisher bevorzugten Großfauna
(insbes. Vögel) und -flora (Geiser 1980). Es ist unbestritten, dass
Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensraumverhältnisse notwendig sind,
allerdings besteht noch keine Übereinstimmung darüber, wie diese
Verbesserungen auch im Einklang mit der Forstwirtschaft erzielt werden
können (vgl. Hilt & Ammer 1994).
1.3. Bisherige Untersuchungen über Totholz und seine Bewohner
Bis zum Ende der 60er Jahre spielte die zoologisch-ökologische
Erforschung mitteleuropäischer Wälder kaum eine Rolle (Winter et al.
1994). Bis dahin gab es nur wissenschaftliche Untersuchungen zu den
wichtigsten Forstschädlingen und über einzelne faunistisch interessante
Arten oder Familien (u.a. Kangans 1942, Rummukainen 1949, Schmidt, L.
1949, Simmel 1919, Vité 1951, 1952, 1953). Erst mit dem
Solling-Projekt/Göttingen 1966-1974, (Ellenberg et al. 1986, Funke 1973,
1977, Weidemann 1978), dem Burgholzprojekt bei Wuppertal (u.a. Kolbe
1981a,b,c, 1977a, 1979, 1984a,b,c, 1989b, 1993a,b, Kolbe et al. 1984a)
oder in Hessen (Dorow et al. 1992) in Deutschland und dem International
Biosphere Programm in anderen europäischen Ländern erfolgten umfassende
zoologische Forschungsprogramme mit weiterentwickelten oder neuartigen
Fangmethoden. Wenig Berücksichtigung fanden bisher die holzbewohnenden
Käfer, obgleich sie mit mehreren 100 Arten in Mitteleuropa (vgl. Geiser
1989b) zu den “klassischen Waldinsekten“ zählen (Schmidl 1997). Gerade
für die Erfassung der totholzbesiedelnden Insekten war die
Weiterentwicklung der Fangmethoden ein wichtiger Schritt. Da viele
Käferarten dämmerungs- oder nachtaktiv sind, nur kurze Zeit als Adulte
leben (Stenagostus villosus (Elateridae) drei Wochen, nur nachts), sich
aber dafür oft umso länger als Larve im Holz aufhalten (viele Lucanidae,
z.B. Sinodendron cylindricum drei Jahre), benötigte man spezielle darauf
abgestimmte Fangmethoden. Da Totholz in heutigen Wäldern nicht im
Übermaß vorhanden ist, sollten diese Methoden außerdem besonders
lebensraumschonend anwendbar sein, um den Erhalt dieses selten
gewordenen Habitats zu gewährleisten. Es wurden daraufhin von einigen
Wissenschaftlern Programme zur Erfassung zooökologischer Daten
erarbeitet (u.a. Duelli et al. 1990a, Dorow et al. 1992, Funke 1987,
Funke et al. 1993, Kneitz 1980, Köhler 1996, Kolbe 1984a,b,c).
Untersuchungen in Wäldern, mit Totholz bzw. an Bäumen wurden u.a. von
folgenden Autoren durchgeführt: Bense et al. 1998, Funke 1979, 1983b,
Funke et al. 1995b, Kleinevoss et al. 1996, Köhler 1989b, Speight &
Wainhouse 1989, Sprecher-Uebersax 1989. Vielfach standen in der
Vergangenheit Untersuchungen an Nadelhölzern, v.a. Fichten (Picea abies)
im Vordergrund (Appenzeller 1992, Broggi 1990, Duelli & Obrist 1999,
Fischer 1997, Funke 1986, Kenter et al. 1994,1997, Otte 1987,1989, Pfarr
1990, Roth 1984, Roth et al. 1983, Sattelmeyer 1993, Schmidl 1997,
Siemers 1989, Stöckli 1993, Stump et al. 1986, Thiede 1977, 1997,
Wallace 1953, Wermelinger et al. 1995), die auf vielen Standorten die
Laubwälder aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus verdrängt haben. Da
nach Stürmen besonders Fichtentotholz in großen Mengen angefallen war
und die Holzentwertung durch Forstschädlinge und deren Ausbreitung im
Vordergrund der Untersuchungen standen, schenkte man den Laubhölzern nur
wenig Beachtung. Dabei ist es gerade für diese Baumarten wichtig, zu
wissen, wie sich ein erhöhter Totholzanteil auf den bestehenden Bestand
auswirkt, damit seitens der Forstämter entsprechend reagiert werden kann
und zunehmend wieder größere Mengen Totholz im Wald belassen werden. Im
Gegensatz zu Wäldern in Schutzgebieten, Nationalparks etc. gibt es
jedoch für typische Wirtschaftswälder bislang nur wenige
Totholz-Untersuchungen (Utschik 1991, Prietzel 1994a), obwohl sich die
Artensicherung zukünftig größtenteils auf diese Waldflächen
konzentrieren wird, da sie flächenmäßig die größeren Anteile besitzen
(Kap. 1.1.; sowie Feldmann et al. 1996, Scherzinger 1997b).
1.4. Untersuchungsziele
In den letzten Jahren ist absterbendes und totes Holz zu einem für den
Naturschutz im Waldbau bedeutenden Bereich erklärt worden (vgl. Speight
1989a,b). Für Ammer (1991) und Broggi & Willi (1993) zählt das Thema
Totholz zu den naturschutzpolitisch wichtigsten Anliegen im Bereich der
Forstwirtschaft. Auf Grund der vorab skizzierten Entwicklungen rückte in
letzter Zeit das Alt- und Totholz-Management im Wald daher immer mehr
ins Spannungsfeld zwischen Natur- bzw. Arten- und Forstschutz (Ebert
1982, Gora 1998, Prietzel 1994b, Schoepffer 1982, Voegeli 1982). Aus der
Sicht des Natur- und Artenschutzes gelingt der Schutz totholzbewohnender
Arten nur über den Schutz entsprechender Biotope. Dies bedeutet, dass die
Wirtschaftswälder wieder ein Habitatmosaik aufweisen sollten, in dem
absterbendes und totes Holz geduldet ist, das entsprechend der
natürlichen Sukzession wieder dem Nährstoffkreislauf zugeführt wird. Das
ist die Voraussetzung, um den Tier- und Pflanzenarten, die in ihrem
Lebenszyklus zwingend auf das Vorhandensein derartiger Totholzstrukturen
angewiesen sind, den Lebensraum zu erhalten (Ant 1971a, Gruschwitz 1983,
Knolle 1982, Pfarr 1990,1991, Pfarr & Schrammel 1991, Runge 1969,1975,
Scherzinger 1982, Speight 1986, Sperber 1983). Wenn die Forderungen des
Naturschutzes nach einem möglichst flächendeckenden Totholzangebot
erfüllt werden, so sind die im Wirtschaftswald eventuell entstehenden
waldhygienischen und ökonomischen Folgen aus der Sicht des Forstschutzes
zwingend zu berücksichtigen (Pfarr 1990, 1991).
Daraus ergibt sich der Konfliktbereich Totholz:
- Natur- und Artenschutz: natürlicher und notwendiger Bestandteil
eines Waldes
- Forstschutz: auch Brutstätte für forstschädliche Insekten
Für die vorliegende Arbeit wurde aus der großen Zahl der
totholzbesiedelnden Insekten die Gruppe der Käfer ausgewählt, da sie
artenmäßig die größte Ordnung darstellt. Außerdem ist bei dieser Gruppe
der Konflikt zwischen Natur- und Forstschutz am größten, da aus
forstlicher Sichtweise hier viele „Holzschädlinge“ anzutreffen sind.
Bisher lag aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten der Ansatz der Forschung
verstärkt auf den Nadelgehölzen. Oft wurden aber die Ergebnisse dann auf
Laubwälder übertragen, was zur Folge hatte, dass Totholz aus Angst vor
Insektenkalamitäten auch aus diesem Waldbild weitestgehend verschwunden
ist. Zur industriellen Holznutzung, bei der nur noch Holzerntestubben im
Wald verbleiben, kommen auch heute viele private Selbstwerber, die
anfallende Kronenäste etc. als Kaminholz aus dem Wald entfernen. Nicht
zuletzt das Stichwort "sauberer Wald" hat dazu beigetragen, das heutige
Waldbild zu prägen.
Während bei der naturnahen Waldwirtschaft im Hinblick z.B. auf
Baumarten, Umtriebszeiten oder Verjüngungsverfahren mittlerweile in der
Regel ziemlich genaue Vorstellungen bestehen, sind in der forstlichen
Praxis zum Thema Totholz-Management noch viele Fragen offen: welche
Baumarten sind zu bevorzugen? wieviel Totholz je ha ist angemessen? in
welcher Dimension, Form und Zersetzungsgraden ist es anzustreben bzw.
waldhygienisch vertretbar (vgl. u.a. Ammer 1991)? Somit bot das
Spannungsfeld “Naturschutz und Forstwirtschaft“ den Anreiz, dieses
hochaktuelle Thema aufzugreifen und auch in bisher wenig untersuchten
Laubwirtschaftswäldern Wege für die Forstwirtschaft im Umgang mit
Totholz und Unterwuchs aufzuzeigen. Totholz als Ausgangspunkt
wesentlicher waldökologischer Zusammenhänge und Prozesse (vgl. u.a.
Schiegg 1998/99), die erst in Ansätzen erforscht sind, birgt noch viele
offene Fragen. Neben anderen Autoren postulierten Suter & Schielly
(1998) daher, dass eine der zukünftig bedeutenden Forschungsaufgaben
darin besteht, herauszufinden, wie sich strukturelle Merkmale im Wald
über die Habitatqualität schlussendlich u.a. auf die
Käferartenzusammensetzung oder auf Prozesse zwischen Räuber- und
Beutepopulationen auswirken.
Da sich die Frage der Artensicherung im flächenmäßig größeren
Wirtschaftswald - nicht in Schutzgebieten - entscheidet (vgl.
Scherzinger 1997b), sollte laut Feldmann et al. (1996)
naturschutzbezogene Waldforschung ihren Schwerpunkt im Wirtschaftswald
haben. Daher ist in der vorliegenden Untersuchung als Ausgangssituation
der heutige Zustand von naturnah bewirtschafteten Wirtschaftswäldern
gewählt worden, wo geringe Mengen an absterbendem oder totem Holz
vorhanden sind.
Mit der vorliegenden Arbeit wurde geprüft, wie sich in einem Laubwald
mit Totholzvorkommen die Käferzönose zusammensetzt und welche Faktoren
diese Zusammensetzung entscheidend beeinflussen. Die Untersuchung
versucht folgende Fragen zu beantworten:
In welcher Form beeinflusst Unterwuchs die Zusammensetzung der
Käferzönose, insbesondere die der totholzbesiedelnden Arten?
Haben Blütenpflanzen im Unterwuchs und die damit verbundene höhere
Strukturvielfalt einen nachweisbaren Einfluss auf die
Käferartenzusammensetzung?
Wie beeinflusst der Unterwuchs das Verhältnis zwischen xylophagen
(holzfressenden) und zoophagen (räuberischen) Käferarten bzw. Individuen
in den unterschiedlich strukturierten Untersuchungsflächen?
Wie wirken sich Dimension und Position (liegend, stehend) der
Totholzobjekte im Zusammenhang mit den bodennahen Habitatstrukturen auf
die xylobionten Käfer aus?
Welcher Einfluss kommt Unterwuchs bei der Besiedlung durch forstlich
relevante Nutzholzzerstörer zu?
Wie könnten Totholz-Management-Maßnahmen aussehen, die sowohl den
Interessen des Naturschutzes, als auch denen des Forstschutzes gerecht
werden?
Die Untersuchung wurde möglichst breit auf alle Straten angelegt, da es
keinesfalls ausreichend erscheint, die epigäische Fauna oder die
Holzbewohner isoliert und exemplarisch als Indikatoren zu betrachten
(vgl. Dorow et al. 1992). Es wurden daher Methoden eingesetzt, die ein
möglichst breites Spektrum an Strukturen abdecken.
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